Human Enhancement: Fluch oder Segen?

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Lange Zeit hatte die Menschheit Zeit, den eigenen Status als Krone der Schöpfung im philosophischen, religiösen und kulturellen Diskurs festzusetzen. Doch je weiter der Mensch wissenschaftlich fortschreitet, desto höher strebt er – und so sind die Grenzen noch lange nicht gesetzt.

Die Mär vom perfekten Menschen – „Besser“ dank Human Enhancement?

Um die Optimierung, die Verbesserung und den natürlichen Fortschritt des Menschen durch medizinische Eingriffe zu beschreiben, hat sich der Sammelbegriff Human Enhancement etabliert.
Human Enhancement beschreibt medizinische Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht den Zweck einer Therapierung haben.

Dies kann in Form eines operativen oder eines konservativen Einschreitens durch Medikamente erfolgen und wirft völlig neue, ethische Fragen nach der Rolle der Medizin auf. Zumal Human Enhancement immer auch eng verbunden ist mit möglichen Eingriffen in das menschliche Genom. Ziel ist es, den Menschen mental und physisch zu verbessern – doch sollte das wirklich das Ziel der Medizin sein?

Schöner, denkschneller, immer weiter – Ist Human Enhancement Biodoping

Natürlich gibt es die verschiedenste Methoden des Human Enhancement, einige davon sind bereits heute in praktischer Anwendung. Bereits plastische Schönheitschirurgie ist eine häufig praktizierte, moralisch kaum mehr diskutierte Form von Human Enhancement.

Operationen dienen hier dem Zweck der physischen „Verbesserung“, wobei Verbesserung eng an den soziokulturellen Kontext gebunden ist. Auch die etwa in Thailand praktizierte Verlängerung des Halses durch das Tragen von Ringen oder das in der Stammeskultur ansässige Tragen von Lippentellern sind Vorformen des Human Enhancement, das die Medizin heute diskutiert.

Solch äußerlichen Eingriffen in die menschliche Physis stehen immer auch medikamentbasierte Eingriffe gegenüber. Man denke hierbei etwa an Doping zur Leistungssteigerung.
Auch die Embryonalforschung, gezüchtete Gameten und künstliche Befruchtung fallen in den Bereich des Human Enhancement und gelten in westlichen Kulturkreisen als ebenso wenig moralisch verwerflich wie künstlich gebleichte Zähne.

Video: Wettlauf zum Übermenschen – Verwirklichung einer Utopie? | Human Enhancement | Let’s Denk #18
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Ist die Technik die Grenze des Menschen?

Die Kernfrage nach der Moral von Human Enhancement ist deswegen so schwer, weil die Trennlinie verwischt. Prinzipiell fällt bereits Hanteltraining und regelmäßige Einnahme von Fischöl zur Leistungssteigerung des Gedächtnisses unter Human Enhancement. Solche Soft Methods dürfte allerdings kaum jemand verwerflich finden.

Auch technische Methoden wie Augmented Reality-Devices wie Google Glass sind Human Enhancement. Ist die Cyberbrille weniger verwerflich, da sie jederzeit abgesetzt werden kann? Ist erst ein operatives Implantat die Grenze zwischen Medizin und Moral?

Spätestens beim Schritt in die Genetik ist die Moral jedoch von höchster Bedeutung. Ist die Verbesserung des Gencodes schon die religiöse Trennlinie zwischen Schöpfer und Schöpfung? Ist diese Form der Eugenie nicht nur die technische Weiterentwicklung des arischen Supermenschen?

Ein weiteres Problem der Moralfrage ist die Erweiterung von Therapiemöglichkeiten. Fortschritte in Schönheitschirurgie, dem 3D-Druck von Organen und Muskeln zur Selbstverbesserung und selbst Dopingmethoden helfen auch der klassischen Medizin bei der Behandlung von Unfallopfern, Amputationen oder Muskel- und Hirnkrankheiten.

Ist dieser technische Fortschritt nicht notwendig, auch wenn er auf Kosten einer moralischen Aufweichung williger Patienten geht?

In Form des Transhumanismus hat sich eine ganze Ideologieschule gebildet, welche die persönliche Entscheidungsfreiheit in den Mittelpunkt rückt. Transhumanisten glauben an die Überschreitung der eigenen, menschlichen Grenzen durch die technischen Möglichkeiten – allerdings im Rahmen des freien Willens.

Human Enhancement braucht ethische Standards

Human Enhancement wird seit Jahrhunderten in moderaten Formen praktiziert. Der Mensch war und ist immer auf der Suche nach einer Verbesserung. Mehr physische Leistung, ein Streben nach dem Schönheitsideal und ein erweitertes Verständnis des Universums sind klassisch humanistische Ziele.

Die spannende Frage des Human Enhancement wird es sein, die technischen Möglichkeiten in Form von Elektronik, Neuromedizin und Genetik in Einklang mit den moralischen Vorstellungen der zugehörigen Kulturkreise zu bringen. Dabei werden die diversen Methodiken unterschiedlich bewertet und gerade dies macht die Frage nach Moral und Sinn von Human Enhancement so spannend.
Titelbild: © istock.com –  NicoElNino

Über den Autor

Andreas, demnächst 35 Jahre jung, Genießer, mehr oder weniger sportlich, meine Mutter sagt immer: "er macht irgendwas mit Computern", ohne iPhone gehe ich nicht aus dem Haus.

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